NEIN! Wir lassen uns nicht verdrängen!

Mittwoch, 28. Januar 2009

Charmeoffensive ins Leere

Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik unter neuer Leitung

Wie jedes Jahr findet Anfang Februar die Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik (SiKo) statt, vormals genannt Wehrkundetagung. Seit Anfang der 1960er Jahre treffen sich in der Isarmetropole internationale SicherheitspolitikerInnen, Militärs und Rüstungsindustrielle - und stoßen dabei zunehmend auf Protest. Daran wird auch nichts die Neuausrichtung der SiKo ändern, die seit diesem Jahr unter Leitung des Ex-Diplomaten Wolfgang Ischinger steht.

"So schafft die Krise auch Gutes", da ist sich Ischinger ganz sicher. Zumindest, wenn es die Europäische Union schaffe, gestärkt aus der aktuellen Finanzkrise als Stabilitätsraum "weltweit respektiert herauszuwachsen". Und vorausgesetzt, der Westen könne seinen "Führungsanspruch" mit einem System von "global governance" behaupten, "das auch dann noch Geltung beanspruchen kann, wenn das relative Gewicht des Westens in der Welt, sowohl hinsichtlich Bevölkerungszahl wie hinsichtlich Wirtschaftskraft, angesichts der neuen Wachstumsmächte abnehmen wird". Für Ischinger ist dabei eines ganz klar: "Die Uhr tickt und dem Westen bietet sich in der Krise eine große aktuelle Gestaltungschance."

Vom 6. bis 8. Februar 2009 wird der erfahrene deutsche Spitzendiplomat zum ersten Mal die 45. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik (SiKo) im Luxushotel Bayrischer Hof leiten. Ischinger versteht sein Geschäft. Er war Staatssekretär im Auswärtigen Amt sowie deutscher Botschafter in Washington und London. Und trotzdem ist seine diplomatische Charmeoffensive bereits kurz nach der ersten Pressekonferenz am 1. Dezember 2008 - militärisch gesprochen - als Rohrkrepierer geendet.

In einem Gastkommentar unter dem Titel "Das Gute an der Krise" in der Süddeutschen Zeitung vom 15. Dezember 2008 fabulierte Ischinger zunächst locker drauf los: "In der Medizin führt die ,Krisis` zum Abflauen des Fiebers, bezeichnet also den Wendepunkt hin zur Besserung." Doch bereits diese Aussage ist medizinisch betrachtet einfach falsch: Nach einer "Krisis" kann es zum Abflauen des Fiebers kommen, muss es aber nicht. In vielen Fällen endet eine "Krisis" vielmehr tödlich. In keinster Weise ist eine "Krisis" also per definitionem der "Wendepunkt hin zur Besserung", wie Ischinger behauptet. Denn eine Krise ist vom Ausgang her völlig offen.

Falsche Bilder und hohle Phrasen

Diese medizinische Fehldiagnose war jedoch vergleichsweise harmlos zu seiner weiteren Argumentation: "Auch in der Politik sind viele Errungenschaften ohne vorangegangene Krise kaum denkbar: Die Europäische Union von heute wäre ohne die große Krise Europas, die zwei Weltkriege hervorgerufen hatte, nie zustande gekommen", setzte Ischinger seine historische Analyse fort, bevor er zur oben zitierten Gestaltungschance zur erneuten Absicherung des westlichen Führungsanspruchs in der aktuellen Krise überging. (vgl. www.securityconference.de)

Bundesweite Medienresonanz erzielte nur wenige Tage nach Ischingers SZ-Gastkomentar eine Stellungnahme des KZ-Überlebenden Martin Löwenberg. Er forderte Ischinger darin zum Rücktritt von allen seinen Ämtern und zu einer Entschuldigung auf: Ischingers Text sei "menschenverachtend, geschmacklos, zynisch und bedeutet eine unerträgliche Verhöhnung der Millionen Verfolgten und Ermordeten des Nationalsozialismus" sowie eine Verdrehung historischer Tatsachen und eine "geschichtsrevisionistische Verschleierung der Verantwortung Deutschlands", schrieb Löwenberg. "Der 2. Weltkrieg wurde nicht ,hervorgerufen`. Das nationalsozialistische Deutschland und die Deutsche Wehrmacht haben nach einer staatlich geplanten Phase gezielter Hochrüstung zum Profit der deutschen Industrie einen verbrecherischen Angriffs- und Vernichtungskrieg geführt. Ohne diesen Krieg und ohne die Wehrmacht wäre auch die Shoa nicht möglich gewesen."

Bisher hat sich Ischinger, der noch auf seiner Pressekonferenz am 1. Dezember mehr "Transparenz und Dialog" angekündigt hatte, dazu nicht mehr geäußert. Seine diplomatische Schönwetteroffensive und seine Bemühungen, die Kritik in der Öffentlichkeit durch die jährlichen Massenproteste gegen die Münchner Kriegskonferenz zu entkräften, dürfte mit seinem Gastkommentar vorerst gescheitert sein. Für den 7. Februar kündigt das Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz bereits zum achten Mal eine antimilitaristische Großdemonstration an. In diesem Jahr sind die Münchner Proteste bundesweit zugleich Auftakt zur internationalen Mobilisierung gegen den NATO-Gipfel zum 60. Geburtstag des westlichen Militärbündnisses in Strasbourg und Baden Baden. Denn die Münchner Kriegskonferenz wird in der globalen "Krisenprävention" und im "Krisenmanagement", wie es Ischinger nennt, weiter an Einfluss gewinnen.

Mit der Entscheidung für den deutschen Spitzenbeamten wurden alle Gerüchte über einen Umzug der SiKo nach Berlin und eine ungewisse Zukunft der Tagung endgültig beendet. Mit der Wahl des neuen Konferenzleiters hat die Bundesregierung zugleich eine langfristige strategische Festlegung vollzogen: Mit Ischinger soll die Münchner Militärkonferenz - frei von protokollarischen Zwängen offizieller Gipfel - als Bühne für die außenpolitischen Interessen der deutschen Bundesregierung sogar noch ausgebaut werden. Dafür wird auch die zivil-militärische Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Militär intensiviert.

Ischinger kündigte in diesem Jahr erstmals eine Kooperation mit der Körber-Stiftung an, deren Stiftungskapital auch aus der Rüstungsproduktion der gleichnamigen Industriellenfamilie stammt: Mit der Gründung des "Munich Young Leaders Round Table on Security Policy" solle der "außenpolitische Führungsnachwuchs" gezielt gefördert werden, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung von Stiftung und SiKo.

Die neue Elite deutscher Außenpolitik, die auf gleicher Augenhöhe als "zukünftige Entscheidungsträger" an der Konferenz teilnehmen wird, rekrutiert sich aus einer Gruppe jüngerer MitarbeiterInnen der Bundesregierung, des Bundestages sowie verschiedener Think Tanks und Unternehmen. Auch in diesem Punkt nimmt es Ischinger mit den Fakten nicht besonders genau: Auf seiner Pressekonferenz wollte er zunächst deutlich machen, "dass dies keine Jahresversammlung der Rüstungsindustrie" sei, sondern es lediglich "um Krisenprävention und -management" gehe. Nur wenige Minuten später kündigte Ischinger jedoch an, dass es unter seiner Leitung erstmals auch ein offizielles Mittagessen von Konzernchefs mit hochrangigen VertreterInnen der Konferenz geben werde.

Eine Jahresversammlung der Rüstungsindustrie

Deutschland ist mittlerweile zum drittgrößten Rüstungsexporteur der Welt aufgestiegen. Nach dem Bericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), der Anfang Dezember 2008 vorgestellt wurde, sind die deutschen Rüstungsexporte allein im letzten Jahr gegenüber 2006 um 13 Prozent gestiegen. Deutschland ist auch durch seine Rüstungsexporte zum Exportweltmeister geworden. Letztes Jahr sind nach dem jährlich vorgelegten Rüstungsexportbericht der GKKE Waffen im Wert von 8,7 Mrd. Euro an 126 Staaten verkauft worden - davon liegen viele in Krisengebieten und/oder werden von Militärdiktaturen oder Regimen regiert, die für Folter und Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind.

Deutschland ist nach Angaben des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) für den Zeitraum 2003 bis 2007 mit einem Anteil von zehn Prozent der weltweit drittgrößte Rüstungsexporteur nach den USA (36 Prozent) und Russland (25 Prozent), noch vor Frankreich und Großbritannien. Insgesamt haben die USA, Russland, Deutschland, Frankreich und Großbritannien einen Anteil von 80 Prozent an den weltweiten Rüstungstransfers. Laut Berechnungen von SIPRI verdoppelte die Bundesrepublik Deutschland ihren Export konventioneller Waffen innerhalb eines Jahres von 1,5 Mrd. US-Dollar (2005) auf 3,8 Mrd. (2006). Nach den USA und Russland avancierte Deutschland damit zum drittgrößten Waffenexporteur.

Das "Konfliktmanagement" von Ischinger und der Münchner "Sicherheitskonferenz" kostet also seit Jahrzehnten Millionen Menschen weltweit das Leben: Seit Jahren nehmen an der Münchner Kriegskonferenz auch die führenden deutschen Rüstungskonzerne teil. Häufig liefern deutsche Firmen in Krisengebieten an alle beteiligten Konfliktparteien - das war zum Beispiel im Krieg zwischen dem Iran und dem Irak der Fall, der dadurch viele Jahre dauerte und Hunderttausende Opfer gekostet hat. Ob in der Türkei, Pakistan, Indien, China, Georgien oder Ägypten, Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten - mit deutschen Waffen wird weltweit geschossen und gemordet. Auf der Gästeliste der Kriegskonferenz stehen unter anderem Europas größter Kriegswaffenproduzent EADS, die Siemens AG, der Münchner Panzerbauer Kraus-Maffei-Wegmann, Diehl & Co, Rohde & Schwarz, Rheinmetall bis hin zum weltweit größten Luft- und Raumfahrtkonzern Boeing.

Politik, Militär und Wirtschaft Hand in Hand

Auch die Finanzierung der Konferenz unterstreicht die zivil-militärische Zusammenarbeit von Politik, Militär und Wirtschaft: Im Jahr 2007 wurde die Konferenz mit 323.000 Euro vom Bundespresseamt und mit rund 520.000 Euro aus dem Etat des Verteidigungsministeriums finanziert. Dabei kommt es auch seit Jahren zu einem bislang noch verfassungswidrigen Einsatz der Bundeswehr im Inneren: Allein 90 Soldaten übernehmen am SiKo-Wochenende das Hausrecht im Bayerischen Hof, weitere 310 Bundeswehrkräfte sichern das Umfeld des Tagungsortes, den Flughafen und die Hotels der Konferenzteilnehmer. Für weitere Kosten der Kriegskonferenz kommen Sponsoren aus der Rüstungsindustrie auf.

Seit 1962 werden auf der "Münchner Sicherheitskonferenz" die politischen und strategischen Koordinaten der nächsten Kriege ausgehandelt, geplant und vorbereitet. Auf der früheren "Wehrkundetagung" wurde in den Jahren des "Kalten Krieges" die Neutronenbombe propagandistisch durchgesetzt genauso wie die NATO-Nachrüstung 1983, der atomare Erstschlag und die aktuellen militärstrategischen Sicherheitskonzepte, die Präventivschläge wie weltweite Einsätze als dauerhafte militärische Krisenkontrolle vorsehen. Allein in den letzten Jahren wurden in München der zweite Golfkrieg (1991), der völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999, der "Krieg gegen den Terror" in Afghanistan seit 2001 und im Irak seit 2003 ausgehandelt. In diesem Jahr dürfte kurz vor dem NATO-Gipfel insbesondere eine neue Aufgabenverteilung in Afghanistan auf der Tagesordnung stehen: Die neue Rolle, die Ischinger für Deutschland dabei vorschwebt, wird zu einer weiteren Ausweitung des Kriegseinsatzes am Hindukusch und in anderen Regionen der Welt führen.

Der Skandal um die Verstrickung der deutschen Bundesregierung und des aktuellen Außenministers in das weltweite System der Folterflüge zeigt: Die DemonstrantInnen haben bei den Protesten gegen die "Sicherheitskonferenz" in München völlig zu Recht den früheren US-Verteidigungsminister als "Massenmörder" und "Folterer" bezeichnet - dafür wurden Dutzende von der Polizei geschlagen und verhaftet. Heute muss sogar der US-Senat eingestehen, dass Donald Rumsfeld für die systematische Folter in den weltweiten Gefängnissen der USA und der NATO von Afghanistan bis Guantanamo verantwortlich gewesen ist.

Die staatlichen Behörden und die Münchner Polizei hatten für die besseren Argumente immer nur Verbote, Schlagstöcke, Pfefferspray und Massenfestnahmen als Antwort. Das konnte den notwendigen Widerstand gegen die globale Kriegspolitik aber nicht verhindern. So haben die Proteste gegen die SiKo seit 2001 kontinuierlich zu einem Verständnis der Zusammenhänge beigetragen: Die kapitalistische Globalisierung führt zu einer zunehmenden Militarisierung der Gesellschaften nach innen und außen und zur globalen Kriegspolitik der NATO-Staaten. Oder wie es der letzte SiKo-Leiter Horst Teltschik formulierte: "Was das Weltwirtschaftsforum in Davos für die Spitzenvertreter der internationalen Wirtschaft ist, ist die Sicherheitskonferenz in München für die Repräsentanten der strategischen Gemeinschaft."

Aus: ak - analyse & kritik, siehe auch: www.akweb.de


Smash, we can!

Proteste gegen die Siko in München

Wie jedes Jahr findet diesmal am 6./7. Februar die so genannte "Münchner Sicherheitskonferenz" statt. Und wie jedes Jahr wird es auch diesmal wieder linke Proteste gegen die "SiKo" geben. Im folgenden dokumentieren wir den linksradikalen Aufruf und rufen zur Teilnahme am international- istischen Block auf:

Smash, we can - den herrschenden Kriegszustand sabotieren

Februar 2009 – wieder treffen sich die führenden Repräsentant_innen der NATO-Staaten und ihre Verbündeten sowie Vertreter_innen der Rüstungsindustrie in München. Die sogenannte Sicherheitskonferenz ist laut ihrem neuen Vorsitzenden Wolfgang Ischinger „das wichtigste Forum zum Gedankenaustausch von Entscheidungsträgern der internationalen Sicherheitspolitik“. Das Ergebnis dieser militärischen „Sicherheitspolitik“ bedeutet für Millionen Menschen Krieg und Unterdrückung.

April 2009 – zeitnah zur „Sicherheitskonferenz“ wollen sich die Kriegstreiber der NATO-Staaten in Strasbourg/Baden-Baden versammeln, um den 60.Geburtstag der NATO auf einem Frühjahrstreffen zu begehen. 60 Jahre mörderische Politik – das ist für sie ein Anlass sich auf die Schultern zu klopfen…

Wir sehen das anders!
Wir werden uns organisieren, demonstrieren, sabotieren – wir werden es nicht zulassen, dass sie ungestört Kriege vorbereiten und 60 Jahre imperialistische Politik abfeiern!

Deshalb auf nach München! Auf nach Strasbourg!

Kein Friede mit der NATO-Kriegspolitik!

Im Oktober 2008 hat der Bundestag eine Verlängerung des Mandats für die deutschen Isaf-Truppen in Afghanistan und eine Aufstockung des Kontingents deutscher Soldaten auf 4500 beschlossen. Dies bedeutet die Ausdehnung einer Kriegspolitik, deren verheerende Folgen im seit sieben Jahren von NATO-Truppen besetzten Afghanistan mehr als deutlich werden. Zehntausende Menschen wurden als Folge des Krieges in Afghanistan getötet, hundertausende sind auf der Flucht. Die Bevölkerung ist neben den direkten Gefahren eines offenen Krieges mit einer katastrophalen Ernährungslage und der Zerstörung der sozialen Infrastruktur konfrontiert. Die kapitalistische Inwertsetzung, die die westlichen Mächte unter maßgeblicher Beteiligung Deutschlands zu ihren Gunsten in Afghanistan gewaltsam durchsetzen, verschärft die Armut der breiten Bevölkerung.

Exemplarisch für diese Politik wäre das vom Westen diktierte Investitionsabkommen zu nennen, das Zollreduzierungen ebenso beinhaltet wie weitreichende Befugnisse für ausländische Investoren: Ihnen wird 100%iger Firmenbesitz mit weitreichendem Schutz vor Enteignungen, die Befreiung von Steuern und voller Gewinntransfer ins Ausland zugesichert. Die Rede vom „Wiederaufbau des Landes“ und einem „humanitären Auftrag“ ist zynische Heuchelei. Die vermeintlich zivile „Entwicklungshilfe“ wird der militärischen Logik untergeordnet und in westliche Profite umgemünzt. Ein großer Teil des Geldes, das Deutschland erklärtermaßen für „Entwicklungshilfe“ in Afghanistan zur Verfügung stellt, fließt in den durch deutsche Polizisten angeleiteten Aufbau eines Polizeiapparates. Die meisten Menschen in Afghanistan lehnen die Besatzung ab.

Zwar nehmen auch in Europa die Stimmen gegen einen zeitlich unbegrenzten und zunehmend eskalierenden Krieg zu, aber was fehlt ist eine lautstarke antimilitaristische Kritik. Der vermeintliche „Kampf gegen den Terrorismus“ in Afghanistan, im Irak und anderswo muss als brutaler, von kapitalistischen Interessen geleiteter Krieg des Westens um Hegemonie und Kontrolle benannt werden. Diesem setzen wir unseren vielfältigen Widerstand entgegen!

Weder euren Krieg – noch euren Frieden!

Von der Macht harmlos klingender Begriffe wissen die Teilnehmer_innen der „Sicherheitskonferenz“, wenn sie sich unter diesem Titel auch im Februar 2009 wieder versammeln, um Kriege zu planen und Rüstungsgeschäfte zu verhandeln. Das Wort „Sicherheit“ hat Konjunktur. Erst kürzlich fühlte sich ein NATO-Stabschef bemüßigt, ein Strategiepapier „Towards a Grand Strategy for an Uncertain World“ zu betiteln und seine kriegerischen Thesen somit als Ausweg aus einer vermeintlichen allumfassenden „Unsicherheit“ zu beschreiben. Fast kein Diskurs der herrschenden Politik kommt ohne „Sicherheit“ als sich scheinbar selbst erklärendes Ziel aus. Es gibt momentan keine andere Begriffshülse, die so wenig konkret bestimmt ist, aber gleichzeitig so viel Gewalt umschreibt und diese legitimiert wie die Chimäre „Sicherheit“.

Während unter dem Motto der „äußeren Sicherheit“ Kriege geführt werden, lässt auch die „innere Sicherheit“ den Herrschenden keine Ruhe. Mit ihrem Papier „Sicherheitsstrategie für Deutschland“ vom 6.5.2008 bekräftigt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ihre Forderung nach der grundsätzlichen Ermöglichung des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren. „Die bisherige Trennung von innerer und äußerer Sicherheit oder in Kriegszustand und Friedenszeit“ sei nicht länger aufrechtzuerhalten, so ist als Begründung für ihre Forderung zu lesen. „Ein völlig neues Verständnis von Sicherheitspolitik“ müsse sich in einer „deutschen Sicherheitsarchitektur“ niederschlagen.

Das Verschwimmen der Grenzen zwischen Krieg und Frieden, zwischen „innerer“ und „äußerer Sicherheit“, welches hier als natürliche Entwicklung erscheint und als Argument für repressive Neuerungen herhalten muss, ist aber nicht Ursache, sondern Folge einer Politik, die kapitalistische Herrschaft und Kontrolle lokal wie global repressiv durchsetzt. Nicht zuletzt auf europäischer Ebene entstehen ständig neue Organisationen, in denen Militär, Polizei und zivile Hilfsorganisationen in einem bürgerrechtsfreien, supranationalen Raum mit umfassenden Kompetenzen ausgestattet zusammenarbeiten. Ziel dieser Politik ist es, die Festung Europa als weltweit stärksten Wirtschaftsraum zu behaupten, globale Kontrollmacht zu vergrößern, die Grenzen der EU aufzurüsten und politische Opposition und Widerstand effektiver bekämpfen zu können. Die EU baut nicht nur im Ausland militaristische und repressive Regime auf, sie konstituiert sich auch selbst zunehmend als solches.

Das bestätigt einmal mehr unser Wissen, dass die viel proklamierte „Sicherheit“ die Sicherheit der herrschenden Klasse ist, die für den Großteil der Menschen dieser Welt, Armut, soziale Unsicherheit, Krieg, Repression und Unterdrückung bedeutet.

Verunsichern wir die Sicherheitsstrategen! Die herrschende Sicherheit offensiv und kreativ erschüttern!

Frontex abschaffen! Für freies Fluten!

Eine der Organisationen, die die Verschmelzung von Polizei und Militär vorantreibt, ist die europäische Grenzschutzagentur Frontex. Frontex verfolgt eine Politik der Migrationsabwehr um die Festung Europa. Dabei geht es nicht „nur“ um die europäische Außengrenze – der Krieg gegen Flüchtlinge soll überall entlang der Migrationsrouten geführt werden: In den Herkunfts- und Transitländern werden die Grenzpolizeien aufgerüstet und Transportfirmen zur Abschiebung von Flüchtlingen in die Pflicht genommen.
Im Mittelmeer, aber auch unmittelbar vor den Küsten einiger westafrikanischer Staaten patroullieren europäische Kriegschiffe, um Flüchtlingsboote abzufangen. Diese Einsätze zwingen den Flüchtlingen und Migrant_innen längere, gefährlichere Routen auf und führen damit jährlich zu tausenden Todesfällen in Mittelmeer und Atlantik. Auch die eigentliche EU- Außengrenze wird zunehmend militarisiert und technisiert, etwa durch den Einsatz von militärischen Drohnen und die explizite Einbeziehung der Kriegsministerien in den Grenzschutz.

Für das Innere der EU plant Frontex eine Datenbank, die alle Ein- und Ausreisen erfasst und Menschen, die länger bleiben als ihr Visum gültig ist, automatisch zur Fahndung ausschreibt. Älter als die Organisation Frontex sind zehntausende Flüchtlingslager, sowie all die anderen Entrechtungen, denen Flüchtlinge und Migrant_innen in Europa ausgesetzt sind.

Mit diesem rassistischen Grenzregime betreiben die EU-Staaten den gewalttätigen Ausschluss derer, die nicht als billige und rechtlose Arbeitskräfte in Europa gebraucht werden. Die weitgehende Abschottung der Unerwünschten ist aber auch kapitalistisches Krisenmanagement; wenn Menschen vor Kriegen oder den Folgen ökonomischer Zusammenbrüche fliehen, versuchen die Metropolenstaaten ihr Möglichstes, um Flüchtlinge weit vor Europa aufzuhalten. Nicht umsonst führt die NATO in ihren Strategiepapieren „unkontrollierte Migrationsbewegungen“ als Kriegsgrund an.

Wir setzen dieser Politik unsere praktische Solidarität mit den Kämpfen von Flüchtlingen und Migrant_innen entgegen! Offene Grenzen für alle – Freedom of movement is everybody‘s right!

Widerstand lässt sich nicht verbieten!

Die Verschmelzung von „innerer“ und „äußerer Sicherheit“ zeigt sich auch an der Situation, mit der wir im Februar in München konfrontiert sein werden: Es ist kein Treppenwitz der Geschichte, wenn die „Sicherheit“ der „Sicherheitskonferenz“ durch ein neues Versammlungsrecht „gesichert“ wird, das als Vorstufe seiner eigenen Abschaffung erscheint. Auch hier wird deutlich, dass die Diskurse der „Sicherheits“-strategen über „zivil-militärische Zusammenarbeit“, „Homeland Security“ und „vernetzten Heimatschutz“ nicht nur in Afghanistan und im Irak materielle Realität werden, sondern auch vor der eigenen Haustüre.
Die Bayerische Landesregierung hat Mitte Juli 2008 ein neues Versammlungsgesetz für Bayern beschlossen, welches die faktische Abschaffung der Versammlungsfreiheit und einen Freibrief für absolute Polizeiwillkür, was die Genehmigung und Durchführung von Demonstrationen angeht, bedeutet. Besonders absurd sticht dabei das so genannte „Militanzverbot“ hervor, das u.a. verbietet, „gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen, sofern damit eine einschüchternde Wirkung verbunden ist.“ Was einschüchternd ist und was nicht, liegt selbstverständlich im Ermessen der jeweiligen polizeilichen Einsatzleitung. Dieser Paragraf kann konkret sowohl den Schwarzen Block als auch einen gewerkschaftlichen Streikposten kriminalisieren. Wer denkt, das sei wieder mal Ausdruck der „bayerischen Art“, täuscht sich: Es wäre nicht das erste Mal, dass in Bayern erfolgreich ausprobierte repressive Maßnahmen zum bundesweiten Maßstab würden.

Das neue bayerische Versammlungsgesetz passt als Baustein in die Logik eines repressiven Staates, der wachsende soziale Unsicherheit in einem krisenhaften Kapitalismus mit Überwachung und Kontrolle beantwortet.

Wir werden uns niemals von dem neuem bayerischen Versammlungsgesetz beeindrucken lassen! Wie unser Widerstand aussieht, bestimmen wir selbst!

Antikapitalismus globalisieren!

Wenn eine Folge der momentanen Finanzkrise mit Sicherheit voraussagbar ist, dann ist dies die weitere Verschärfung der Umverteilung von unten nach oben. Nicht nur lösen sich Pensions- und Rentenkassen in Luft auf und verschwinden Spareinlagen; die Summen in Milliardenhöhe, mit denen die Staaten versuchen ihre Geldinstitute zu retten, werden aus Lohn- und Einkommenssteuer, durch Kürzungen in den Sozialversicherungsystemen und bei sozialen Hilfsprogrammen usw. aufgebracht. Die zur Schau gestellte Bestürzung der PolitikerInnen über diese als unvorhersehbar dargestellte und vermeintlich einer zeitweiligen „Anormalität“ der Marktwirtschaft entspringenden Krise verschleiert ihre Ursprünge. Krisen gehören zum Kapitalismus und die Schaffung riesiger Schuldenblasen ist integraler Bestandteil des Neoliberalismus, der seit den 80er Jahren von den global dominierenden Staatsregierungen und den ökonomischen Eliten in Form der Deregulierung von Kapital- und Finanzmärkten forciert wurde. Diese wesentlichen Aspekte der Globalisierung führen zu einer starken Verschiebung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse. Die Auswirkungen der aktuellen Finanzkrise treffen am härtesten die arme Bevölkerung des globalen Südens. Alle, die sich gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen im Zuge dieser Entwicklung wehren, sind zunehmend mit Repression und Militarisierung konfrontiert. Es ist durchaus nichts Neues, dass ein krisenhaftes kapitalistisches System sich durch Krieg am Laufen hält.

Gegen die Umverteilung von unten nach oben setzen wir auf globale Aneignungskämpfe – gegen ihre Repression auf emanzipatorischen Widerstand weltweit! We won‘t pay for your crisis!

Für eine direkte antimilitaristische Praxis!

Wenn die Strategen der herrschenden „Sicherheit“ es sich zum Ziel gesetzt haben, die Unterschiede zwischen „innerer“ und „äußerer Sicherheit“, zwischen Polizei und Militär, zwischen Razzia und Krieg aufzulösen, so müssen wir ihre Strategie zu unserer Waffe machen und unsere Kämpfe gegen die verschiedenen Facetten dieser Politik verknüpfen.

Weltweit gibt es immer wieder Versuche, militärische Ausrüstung für ihren kriegerischen Einsatz untauglich zu machen. Die einen nennen es aktive Abrüstungsinitiative oder Sabotage, einige FriedensaktivistInnen sprechen vom sogenannten ploughsharing (»Schwerter zu Pflugscharen machen«), während die Herrschenden solche Aktionen wahlweise Sachbeschädigung, Brandstiftung oder Terrorismus nennen. In Deutschland sind es die Paragraphen 129ff StGB, auf deren Grundlage immer wieder versucht wird, antimilitaristische Praxis zu kriminalisieren. Was aber ist die Zerstörung von Kriegsmaterial im Vergleich zu dessen tödlichem Einsatz in Kriegen? Deshalb bleibt das Ziel ihre Wehrkraft zu zersetzen und die Ruhe an der Heimatfront zu stören! Für die lokale Etablierung praktischer Abrüstungsinitiativen!
Sorgen wir für eine Ächtung des Militärs, nehmen wir ihnen das Gefühl des Rückhalts. Wenn die Militarisierung der Gesellschaft so weit fortgeschritten ist, dass uns das Kriegspersonal überall begegnet, im Zug und bei Familienfeiern, bei Rekrutierungsevents in Schulen und Arbeitsämtern – dann werden wir überall dort stören und intervenieren! Bundeswehr wegtreten!

Zur Wehrkraftzersetzung gehört auch der Kampf gegen das Patriarchat, dessen brutalster Ausdruck sexualisierte Gewalt darstellt. Wo Krieg und Militär den Alltag bestimmen, nehmen Vergewaltigungen, Zwangsprostitution und Frauenhandel drastisch zu. Das ist kein Zufall. Militärische Mobilisierung und Drill funktionieren über dominante Männlichkeitsbilder. Machismo ist eine Kriegsressource! Kampf gegen alle militaristischen Männerbünde!

Unsere Solidarität gilt jenen Soldat_innen weltweit, die beschlossen haben, sich der Grausamkeit und Ungerechtigkeit von Kriegseinsätzen zu verweigern und heute in Militärgefängnissen sitzen oder mit Repression überzogen werden! Organisiert Hilfe und Unterstützung für DeserteurInnen!

Solidarität mit Olli, Florian und Axel, denen vorgeworfen wird, im Juli 2007 Bundeswehrfahrzeuge angezündet zu haben!
Gegen Krieg und Krise: Antimilitaristischen Widerstand entwickeln! Gesellschaftlichen Reichtum aneignen!

In diesem Sinne: Kommt alle am 6./7. Februar nach München! Wir sehn uns im Internationalistischen Block! Vermiesen wir den 60ten Geburtstag der NATO in Strasbourg vom 3. bis 4. April!

Sa, 07.02. | 12:30 München Marienplatz:
Internationale Großdemonstration

wie jeder Jahr wird es in München am Protestwochenende ein Convergence Center geben:
Kafe Marat, ehem. Tröpferlbad, Thalkirchnerstr. 104, 2. Aufgang U3/U6 Goetheplatz

Es rufen auf:
Resistance des deux rives, Gipfelsoli, Infoladen Salzburg, Bundeskoordination Internationalismus (BUKO), Infoladen Treibsand Linz, Infogruppe Rosenheim, AK Internationalismus München, AK Antimilitarismus im libertären Netzwerk Alerta Hannover, Feliz-Plenum Bremen, Informationsbüro Nicaragua e.V., Bündnis für die Einstellung der §129(a)-Verfahren, Bürengruppe Paderborn, Organisierte Autonomie Nürnberg, Revolutionäre Aktion Stuttgart, Libertad!Süd, Mittwochs-Kafe (Kafe Marat), Autonome AntifaschistInnen München, Radikale Linke Nürnberg, Revolutionäre Perspektive Berlin

Quelle: http://www.antifa-nt.de/

Donnerstag, 15. Januar 2009

Erneuter Nazianschlag in Fürth

SDAj Fürth 13.01.2009 14:06 Themen: Antifa
In der Nacht von Montag, den 12.1. auf Dienstag, den 13.1. haben Neonazis das Auto einer Fürther Antifaschistin zerstört.
Die militante Naziszene um Matthias Fischer hat wieder einmal zugeschlagen. Diesmal demolierten sie das Auto einer Fürther Antifaschistin. Das Auto wurde in den letzten Jahren oft bei Kundgebungen und Demonstrationen gegen Rechts eingesetzt. Es leistete einen entscheidenden Beitrag an der Bekämpfung der NPD und des Rechtsextremismus. Überall wo es Auftauchte verbreitete es Angst und Schrecken unter den Neonazis. Ob in Gräfenberg, Nürnberg oder Fürth – immer bescherte es den Nazis eine Niederlage. So mussten Nazitreffpunkte schließen, die NPD kam nicht ins Kommunalparlament, Naziaufmärsche wurden erfolgreich blockiert. Vom braunen Feind gefürchtet, von Freunden liebevoll „Maomobil“ getauft ist es nun im antifaschistischen Kampf für eine Welt ohne Ausbeutung und Rassismus gefallen.
Obwohl die militante Naziszene in den letzten Monaten zwei Anschläge auf eine antifaschistische Familie durchführte, das Fürther Gewerkschaftshaus und das Nürnberger Büro der DKP und SDAJ angriff und Sachschäden über 15.000€ verursacht hat, schauen Polizei und Staatsanwaltschaft tatenlos zu. Ermittlungsverfahren gegen Nazis werden eingestellt. Antifaschisten werden wegen dem malen mit Straßenmalkreide in erster Instanz verurteilt und erst auf massiven öffentlichen Druck freigesprochen.
Der erneute Nazianschlag ist vor dem Hintergrund der Umorientierung der militanten Naziszene in Erlangen, Fürth und Nürnberg zu sehen. Nachdem die Fränkische Aktionsfront (FAF) aufgelöst wurde organisierten sich deren Kader in der NPD. Hier traten sie wegen Differenzen Ende 2008 aus und kündigten den erneuten Aufbau illegaler Strukturen an. Dieser Anschlag scheint die erste Aktion der neuen Gruppe zu sein. Setzen wir uns gemeinsam dafür ein das es auch die letzte ist!
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