Eine Glosse: Nürnbergs Polizei ist beleidigt... ...denn Kritik hört sie nicht gerne. Ein Nürnberger Antifaschist soll nun dafür bezahlen - 800 Euro plus Gebühren. Das Amtsgericht Nürnberg erließ einen Strafbefehl wegen Beleidigung gegen ihn, denn so der Vorwurf:
"Am 01.05.2008 zwischen 12.00 Uhr und 12.45 Uhr tätigten Sie während einer Demonstration gegen einen Aufzug der NPD in Nürnberg im Bereich Hintermayrstraße über eine Lautsprecheranlage auf einem mitgeführten LKW beleidigende Äußerungen zum Nachteil der eingesetzten Polizeibeamten."
Für die lautstarke Kritik am Vorgehen der Polizeibeamten, die auch als Vorwand für die Lautsprecherwagen-Stürmung dienten, soll der Antifaschist nun bestraft werden. Was am Amtsgericht Nürnberg als "beleidigende Äußerung" gilt, sagt auch einiges über den Stand der Meinungsfreiheit und die Zulässigkeit von Kritik an staatlichen Maßnahmen aus.
Strafbar als Beleidigung soll gelten: "Deutschen Polizisten schützen die Faschisten" und "Nazischützer".
Dabei hatte sich zuständige Nürnberger Einsatzleiter Polizeidirektor Gerhard Schlögl bereits drei Tage vor dem 1.Mai 2008 mit den Worten „wir müssen das Recht der NPD auf Versammlungsfreiheit schützen“ von den Medien zitieren lassen. Auch bat er die Nazi-Gegner um friedliche Aktionen, damit die Polizei „nicht der NPD den Weg freiknüppeln“ müsse. Am Tag des Großeinsatzes berichteten die Nürnberger Nachrichten (NN): „Rechtsgesinnte Jugendliche aus der ganzen Republik und unverbesserliche Rentner zogen währenddessen geschützt von der Polizei von Herrnhütte durch die Bayreuther Straße die Welserstraße hinauf.“ Am 3. Mai lautete die Überschrift eines NN-Artikels „Protestzug der linken Gruppen endet blutig - Polizei setzt Schlagstöcke und Pfefferspray ein“. Ein paar Seiten weiter vorne im Blatt zieht Gerhard Schlögl Bilanz. Sein Fazit des Polizeieinsatzes: „Insgesamt sind wir sehr zufrieden“.
Auch Aufforderungen an die Polizei den Schlagstock- und Tränengaseinsatz, zur Durchsetzung des Neonazi-Aufmarsches, zu beenden und sich aus der Antifa-Demo zurückzuziehen, soll die Ehre der Beamten verletzt haben.
Selbst Kritik an der Taktik der Stadt Nürnberg und dem Oberbürgermeister Ulrich Maly, der das bewusste Wegschauen zum Widerstand erklärte, soll verboten sein. Denn auch in dieser Äußerung sieht das Amtsgericht eine strafbare Handlung: "Mit aktivem Ignorieren mit Politik der kalten Schulter hat das hier nix zu tun. Stadt und Polizei setzen hier mit allen gewalttätigen Mitteln ein scheiß Aufmarsch für die NPD durch."
Letztlich fanden die Beamten des Nürnberger Staatsschutzes bei ihren akribischen Nachforschungen noch zwei weitere Bemerkungen. Diese sollen im Eifer des Gefechts, inmitten fliegender Polizeifäuste und Knüppel, gefallen sein. Sie dürften angesichts der Polizeibrutalität wahrscheinlich unbeabsichtigt rausgerutscht sein. Damit sind diese Begriffe wohl eher als umgangssprachlich geprägte Mundart-Synonyme für „Polizeibeamter“ anzusehen und nicht als eine gezielte Gleichsetzung der Polizisten mit Tieren, die reizbar und angriffslustig zu blinder und unüberlegter Gewalt neigen. Von Strafverfahren gegen die Produzenten der bekannten Fernsehsendung „Der Bulle von Tölz“ ist jedenfalls nichts bekannt.
Bei der Aufklärung von Straftaten in ihren eigenen Reihen dagegen ist die Nürnberger Polizei nicht so "erfolgreich". Während der Lautsprecherwagen durchgehend von der Polizei gefilmt wurde um die Redebeiträge festzuhalten, existieren von der Stürmung des LKW durch USK-Beamte angeblich keine verwertbaren Videobeweise. Deshalb musste ein Verfahren wegen Körperverletzung gegen einen Polizisten eingestellt werden. Der beschuldigte Beamte gab an, einer Frau die ihm im Weg stand nicht ins Gesicht, sondern „nur“ auf den Handrücken geboxt zu haben. Die Ermittlungen gegen einen weiteren Beamten der Unbeteiligte grundlos mit seinem Schlagstock angriff und einen Pressefotografen mit Pefferspray beschoss, werden wohl im Sande verlaufen. Zwar ist alles ausführlich auf Fotos und einem Youtube-Video festgehalten, doch scheint die Polizei die Identität ihres Beamten nicht ermitteln zu können.
Übrigens: Die Nürnberger Polizei wurde am 1.Mai 2008 auch gelobt - vom NPD-Parteivorsitzenden Sascha Roßmüller. Der bedankte sich in seiner Rede auf dem Rathenauplatz ausdrücklich bei der Polizei "die durch konsequente Absperrungen und starke Präsenz einen reibungslosen Ablauf der Demonstration gewährleistete." Danach stiegen die Neonazis in die auf ihren Wunsch von der Stadt bereitgestellte Sonder-U-Bahn. Diese kutschierte sie bequem zurück zum Auftaktkundgebungsplatz und ihren dort geparkten Autos und Bussen.